Wie kommt der Ölberg zu seinem Namen?

Wir beginnen mit einem mittelhochdeutschen Gedicht in der Sprache von 1200 ca.

                                         Der von Kürenberg


Ich zog mir einen valken mere dann ein jar,

do ich in gezamete als ich in wolte han

und im sin gevidere mit golde wol bewant,

er huop sich uf vil hohe und floug in anderiu lant.           

           

Sit sach ich den valken schone fliegen;

er fuorte an sinem fuoze sidine riemen,

und was im sin gevidere alrot guldin.

Got sende si zesamene die gerne geliep wellen sin.

Lieber Leser dieser Zeilen, Du wirst Dich sicher fragen, was dieses „Falkenlied“ mit dem Ölberg an der Bergstraße bei Schriesheim zu tun habe. Doch schrittweise!! Zunächst übersetzen wir:

Ich erzog mir einen Falken länger als ein Jahr;

als ich ihn so erzogen hatte, wie ich ihn haben wollte,

und ihm sein Gefieder mit Goldfäden vollständig durchwirkt hatte,

hob er sich auf und flog in andere Reviere.

 

Seit (her) sah ich den Falken schone fliegen.

Er trug an seinen Füßen seidene Riemen.

Und sein Gefieder war wie aus Gold.

Gott, lass die zueinander finden, die sich danach sehnen, geliebt zu werden!

 

Machte das Schwierigkeiten? Eigentlich ist der mittelhochdeutsche (mhd) Text fast Wort für Wort übersetzbar. Wie sieht es in Zeile 5 aus? Übersetzungsvorschlag: „Seit (her) sah ich den Falken „schon(e)“ fliegen“--- Das „schone“ ist irgendwie verdächtig. Ich nehme mir das „schone“ heraus und betrachte es unter den Gesetzen der Lautverschiebung der germanischen Sprachen. Obwohl diese Gesetze nie 'geplant' oder fixiert sind, sind sie gesetzmäßig vorhanden.  Zurück zu „schone“:

ahd      skoni (Adjektiv) oder skono (Adverb)

mhd     schöne (Adjektiv) oder schone (Adverb))

nhd      schön (Adjektiv und Adverb)

Nach den Gesetzen der Lautverschiebung gilt also: Folgt auf einen Silbenvokal a, o oder u in der nächsten Sprachstufe (ahd, mhd oder nhd) ein i oder j, so tritt ein Umlaut ein: ä, ö oder ü. Für die Herkunft von schone gibt es also eine eindeutige Aussage. Wir wenden das eben Erfahrene auf unseren „Ölberg“ an, wobei wir den Berg Berg sein lassen. Uns interessiert das „Öl“ und seine Herkunft. Und wir erhoffen uns eine ähnlich eindeutige Aussage. Leider bietet das ö keine phonetische Vorgeschichte, da oleum (Oel) ein Lehnwort ist und somit keine Vorgeschichte in germanischer Lautverschiebung hat.

Wohl aber haben wir Sammlungen von Flurnamenbücher und da erscheint unser Berg

1355: Odelberg

1470: Odlberg

1571: Odelberg

1627: Ölberg

Jetzt einen Blick in das etymologische Wörterbuch; wir hoffen auf ein ahd „odi“ - und im 'Kluge , etym. Wörterbuch' steht (s.v. Öde) ahd odi = leer, verlassen.  Im Mhd müsste dann ein ö als Umlaut auftreten. Zum besseren Verständnis noch einmal eine Gegenüberstellung

ahd    skoni                odi

mhd   schoen(e)         oed(e)

nhd    schön                öd      

Wir fragen uns: Wo bleibt der Umlaut ö in den „odl/odel – Wörtern“? Hat der Odelberg seinen Namen erst in der mhd-Sprache bekommen? Das früheste Erscheinen in 1355 spricht für eine These dieser Art. 1355 ist für mhd aber relativ spät.  Der Ölberg von 1627    ist nhd!   –  deus ex machina,  meint: er ist einfach so da. 

Spielen wir das Spiel mit den Umlauten trotzdem noch weiter.

            ahd     odiberg

            mhd    oedeberg

            nhd     ödberg

Aber: Bei den o.g. Flurnamen gibt es keinen Umlaut oe, nur Odl ...

Es gibt noch eine interessante Erscheinung im Lautwechsel! Gemeint ist der Wechsel der Konsonanten. Hier ein Beispiel aus der lateinischen Sprache: deutsch:  „Träne“ ist lateinisch:  lacruma oder dacruma. Und was ist mit „Dossemerisch“..... odder  -  oller? Aber: weiter hilft das auch nicht  – dann wird aus odel oled oder olel oder oded.

Sprächen wir in unserer Region alemannisch oder bajuwarisch, könnten wir mit odel die Vermutung aufstellen, unser odel (berg) sei ein Mistberg, da in diesen Dialekten odel so viel wie Mist(brühe) bedeutet. 

 

Bisher festgestellt: mit „viel Gewühle“ kommen wir auf eine erste Lösungsmöglichkeit: ödberg  (wie einfach war doch im Falkenlied das „schone“ zu lösen!)

Wir befragen noch einmal das etym. Wörterbuch. Vor „öde“ steht dort ein Substantiv Odal s. Adel. Beim Niederschreiben fällt mir ein Beispiel für den Wechsel von A nach O ein: Atem - Odem.

adal = odal oder umgekehrt  odal = adal

adal = edel, herrschaftlich

Und jetzt tritt endlich zu unserer 'Sprachforschung' der bisher vernachlässigte Dialekt!!! Lassen Sie einen heutigen Dossenheimer „odal“ oder „adal“ sprechen  – der Anfangsvokal beider Wörter klingt gleich!

Nach all den weiten Ausholungen bilden sich für die Bedeutung zwei Schwerpunkte:

Bedeutung  „odal, odl …“ wurde zu Oedberg

Bedeutung  „adal …..“ wurde zu Edelberg

Einen der beiden Namen führte der Berg bis ins 15./16. Jahrhundert. 

Plötzlich setzt ab dem 16. Jahrhundert bei uns wie in vielen anderen Weinbaugebieten ein "willkürlicher" Wechsel  zu "Ölberg" ein - Ölberg muss damals ein Modename gewesen sein. Bis heute gibt es in Baden-Württemberg sechs eingetragene Weinlagen "Ölberg" (Dossenheim - Badische Bergstraße; Hohentengen - Bodensee; Efringen-Kirchen - Markgräflerland; Endingen - Kaiserstuhl; Ehrenkirchen - Markgräflerland und Durbach - Ortenau).

Hätte unser Ölberg diesen Namen im frühen Mittelalter (also z.B. der karolingischen Epoche) gehabt, wäre folgender Name anzunehmen (vgl. Übersetzung des Matthäus Evangeliums durch Otfrieds Evangelienbuch im 10. Jh):

  •  zwig oliboumo (Zweig eines Ölbaumes)
  •  mons oliveti (Ölberg) 

Das Fremdwort „olium / oli“ hat keine Veränderung erfahren; es hieß, seit es bei den germanischen Stämmen Eingang gefunden hatte (ab 3. Jh.), olium und als Adjektiv „olivetus“ und unser Berg hätte heißen können „mons olivetus“.

Fazit: Unser heutige Ölberg hat mehrere Namen gehabt:

  1. (vielleicht) mons olivetus (bis ca.13.Jh.)
  2. odelberg u.ä.
  3. adelberg u.ä.(vom 13. bis 16. Jh.) Beleg s. oben.
  4. Ölberg (etwa ab 16. Jh; Bibelübersetzung durch Luther)

Ich entscheide mich für odelberg (2.) als den ursprünglichen Namen bis zur willkürlichen Umbenennung zu Ölberg im 16 Jahrhundert: Odelberg mit der Bedeutung „Öder Berg“, da  diese Bedeutung für den Namensnutzer dieser Epoche leichter erklärbar ist.

 

Gerd Hammer

Frankenweg 27

69221 Dossenheim

 

Die Flurnamen – Zitate sind folgendem Buch entnommen: Gerd Hammer und Rainer Loos (Hrsg), Steinbrüche Vatter und Leferenz in Dossenheim. Porphyrgeschichten in Wort und Bild.

Vergangenheit. Gegenwart. Zukunft (Dossenheim 2016)

 

Das Buch ist über den Autor dieser Zeilen zum Preis von 25 € erhältlich.